Zur Gründungsgeschichte unserer St. Sebastian-Schützenbruderschaft Alme von Dietmar Hölmer |
Wird noch im Vorwort unserer aktuellen Satzung vom 19. Januar 1986 darauf hingewiesen, daß über die Entstehung der „Schützen-Gesellschaft zu Nieder-Alme“ vom 25. Juli 1857 keine Unterlagen vorhanden sind, so können heute, dank der Unterstützung durch Pfarrer Konrad Leineweber, der entsprechende Unterlagen aus dem Pfarrarchiv zur Verfügung stellte, neue Aspekte der Gründungsgeschichte unserer Bruderschaft aufgezeigt werden.
Als Gründungsintentionen der heute noch bestehenden Schützenbruderschaften werden in der Literatur aufgezählt: die Wiedergründung, die Abspaltung von einem schon bestehenden Verein oder die Neugründung.1 Im folgenden wird zu zeigen sein, daß die Gründung der St. Sebastian Schützenbruderschaft unter keinem der genannten Punkte einzuordnen ist.
Unsere Bruderschaft geht zurück auf die sogenannte „Schützen-Compagnie zu Allme“, über die Schützenlisten aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) bis 1675 vorliegen.2 Über das Schützenwesen in diesen Jahren liegen nach heutigem Erkenntnisstand keine Aufzeichnungen vor.
Erst Heinrich Kampschulte – 1855 bis 1869 Pfarrer in Alme und engagierter Heimatforscher – befaßt sich in einer Abhandlung für das Pfarrarchiv mit dem Almer Schützenwesen.3 Nach seinen Aufzeichnungen ist in Alme seit mehr als 30 Jahren – also ca. seit 1820 – kein Schützenfest mehr gefeiert worden: „alte Leute erinnern sich noch eben an die Zeit, wo ein solches auch hier gefeiert ward;
es scheint aber an seiner eigenen Schmach und Ausartung zu Grunde gegangen zu sein. Die Erinnerung an dasselbe ist eine so trübe, daß die bessere Mehrzahl der Eingesessenen beider Gemeinden, bei dem bekanntlich etwas leichtsinnigen Character der hiesigen Bevölkerung, die Wiederkehr eines solchen Festes mit größter Besorgniß aufnehmen würde“.4
Kampschulte nennt als Voraussetzungen für die künftige Feier eines Schützenfestes, die christliche Ausrichtung des Festes und die Gleichbehandlung der Bürger der damals noch selbständigen Gemeinden Nieder- und Oberalme, denn „erfahrungsgemäß entstehen zwischen den Ober- und Niederalmern leicht Reibungen, wenn die natürliche Parität verletzt wird. Zudem würde für Oberalme eine Ungerechtigkeit darin liegen, wenn es in dieser einen Beziehung zurückgesetzt würde, da es für sich zu klein ist, um ein eigenes irgendwie anständiges Fest begründen zu können. „ Letztlich ist durch entsprechende Statuten sicherzustellen, „daß die äußere Ordnung gehörig gehandhabt werde.
Zur Mitte des letzten Jahrhunderts wirken zahlreiche kirchliche Bruderschaften, in denen sich Gläubige zusammenschließen, um bestimmte Mißstände zu bekämpfen oder besondere christliche Ideen verstärkt zu unterstützen. Eine dieser Bruderschaften ist die sog. Mäßigkeitsbruderschaft, die am 11. Juli 1852 bei uns in Alme errichtet wird, und deren Mitglieder jährlich neu versprechen, auf den Genuß von gebranntem Alkohol zu verzichten.5 Der Niederalmer Landwirt Johann Borghoff muß in dieser Bruderschaft an maßgeblicher Stelle mitgearbeitet haben.
Im Frühjahr 1857 kommt es zum Streit zwischen Pfarrer Heinrich Kampschulte und Johann Borghoff, der mit der Amtsenthebung von Borghoff in der Mäßigkeitsbruderschaft endet. Johann Borghoff entschließt sich daraufhin mit einigen Gleichgesinnten eine Schützengesellschaft zu gründen. Pfarrer Kampschulte berichtet:
„So liegt der Ursprung und tiefste Grund der Stiftung einer Schützengesellschaft in der Animosität eines Einzigen oder doch sehr Weniger gegen ihren Pfarrer, respective gegen die über alles Lob erhabene Mäßigkeitsbruderschaft; ein Umstand, der von vorne-herein jeden Unparteiischen mit Mißtrauen gegen das durchaus zu erwartende Resultat erfüllen mußte. „
In Alme formiert sich somit in 1857 um den Vorsitzenden Johann Borghoff ein Schützenverein, der am 25. Juli beim zuständigen Amtmann Esser in Brilon um die Genehmigung der Satzung und die Erlaubnis zur Abhaltung eines Schützenfestes anfragt. Mit Schreiben vom 7. Juli 1857 antwortet Amtmann Esser, daß gegen das Feiern eines Schützenfestes keine Einwendungen zu erheben sind, sofern sich der Schützenvorstand mit Pfarrer Kampschulte wegen der in der Satzung vorgesehenen kirchlichen Feier einigt und dessen Erklärung beifügt. Weiterhin ist in die Satzung aufzunehmen, „daß auf dem Schießstande gar keine geistigen Getränke, und auf dem Tanzzelte und dessen nächster Umgebung kein Branntwein, sondern gutes Bier verzapft werden darf“.
Zwischen dem Schützenvorstand und Pfarrer Kampschulte kommt es am 6. August 1857 zu folgender Einigung:
„1. Die Schützengesellschaft ist als ein unter dem Schutze des hl. Sebastianus stehender christlicher Bruderverein für alle Pfarrgenossen des Kirchspiels Alme6 gegründet.
2. Der Verein verpflichtet sich, die sowohl im Interesse des Staates als der Kirche höchst heilsam hier bestehende Mäßigkeitsbruderschaft in der Weise zu fördern, daß auf dem Schießstande gar kein geistiges Getränk, in dem Tanzzelte und dessen nächster Umgebung kein Branntwein, sondern gutes Bier verzapft werden darf.
3. Die Feierstunde ist an beiden Tagen des Festes vom Commandeur so zeitig anzusetzen, daß die für das Interesse der Sittlichkeit verderblichen Nachtschwärmereien und nächtlichen Begleitungen verhindert werden können und die gewissenhafte Controlle nicht erschwert wird. Um zehn Uhr Abends müssen nicht nur die Schützenlokale, sondern auch Straßen und Wirthshäuser leer und ruhig sein.
4. … vor definitiver Bestimmung der beiden Schützenfesttage ist jedesmal mit dem Pfarrer Rücksprache zu nehmen, weil die Schützengesellschaft als christlicher Verein keine allgemeine oder spezielle Feier der Pfarre beeinträchtigen, sondern unter Anleitung des Pfarrers nach Möglichkeit fördern helfen will.
5. Der Vorstand wird alljährlich den Pfarrer geziemend ersuchen, an einem Tage des Festes zu Ehren des heiligen Sebastianus ein Hochamt zu celebriren auf daß Gott die Festfreude durch seinen Segen erhöhen und auf die Fürsprache des h. Patronen jedes Unglück und unchristliche Ärgeniß gnädig abwenden wolle.“
Trotz der erzielten Einigung teilt Pfarrer Kampschulte dem Amtmann Esser am folgenden Tag seine Bedenken mit: „Nur mit Mühe habe ich in Nr. 1 des Nachtrags (Anm. d. Verf.: der Satzung) die Bezeichnung Alme statt Niederalme gerettet. Es liegt aber auf der Hand, daß die schon vorhandene üble Stimmung in Oberalme zu fortdauernden Streitigkeiten die Veranlassung bieten würde, wenn jene Bezeichnung (Niederalme) gewählt würde. Da der Vorstand mit einer unwesentlichen Ausnahme prinzipiell nur Niederalme zählt, bin ich auch so keineswegs ohne Besorgnis…“ .7 Am 13. August 1857 erteilt Amtmann Esser die polizeiliche Erlaubnis, „sich behufs Abhaltung eines Vogelschießens und damit verbundener Tanzlustbarkeit bewaffnet zu versammeln“.
Pfarrer Kampschulte ist nicht ohne Grund besorgt, beobachtet er doch eine auffallende Animosität gegen den Grafen von Bocholtz, als seitens des Schützenvorstandes ein vom Grafen erbetenes Geschenk an Holz nicht angenommen wird, weil Graf von Bocholtz den Schützenvorstand eindringlich auf die Satzung und die mit Pfarrer Kampschulte getroffene Zusatzvereinbarung einschwört.
Die Handlungsweise des Schützenvorstandes läßt den Schluß zu, daß die Vereinbarung mit Pfarrer Kampschulte nur getroffen wurde, um seitens der Verwaltung die Genehmigung zum Schützenfest zu erhalten.
Die Pfarrchronik berichtet weiter: „Um diese Zeit fing die Ruhrkrankheit8 auch in Alme zu grassieren an und die unausbleibliche Folge war die Aufhebung der Erlaubnis zur Abhaltung des Festes. Als gleichwohl da man hier noch eine Rücknahme des Verbots hoffte am Vorabende des angesetzten Schützenfestes der Vogel aufgerichtet und mir eine Serenade dargebracht wurde, mußte ich9 als loyaler Unterthan mich jeder Gutheißung des gethanen Schrittes enthalten, was abermals böses Blut absetzte. So war der Grund zur weiteren Verdächtigung des Pfarrers dessen entscheidende Haltung in der Achtung der Gesetze.“
Im Jahr 1857 kann der Verein somit kein Schützenfest feiern.
Der Streit zwischen dem Landwirt Johann Borghoff und Pfarrer Kampschulte ist auch im Herbst 1857 nicht beigelegt. Der Schützenverein zu Niederalme gibt sich neue Statuten. Ein Vermerk im Pfarrarchiv Alme sagt dazu: „Die neuen Schützen-Statuten, in welchen jede Beziehung auf die Religion ausgemerzt ist, sind vom 11. September. „Die Satzung ist nur von Johann Borghoff allein, „im besonderen Auftrage“ unterschrieben.
Die besagten Statuten vom 11. September 1857 befinden sich heute im Archiv der Stadt Brilon10 und stellen die älteste vorhandene Satzung unserer Bruderschaft dar. In der Tat finden sich in diesen Statuten keine Hinweise auf die christliche oder kirchliche Ausrichtung. Lediglich in § 5 wird bestimmt, daß Geistliche und Lehrer als sog. Festgenossen am Schützenfest teilnehmen können. Weiterhin wird die Bezeichnung Verein und nicht Bruderschaft gewählt und in der Überschrift der Statuten findet sich die Ortsbezeichnung Niederalme und nicht Alme. Die Neufassung der Statuten ist also die Folge des Streits zwischen Pfarrer Kampschulte und Johann Borghoff.
Der Schützenverein zu Niederalme ist 1858 in der Schützenbruderschaft der Pfarrei Alme aufgegangen. Die Satzung der Bruderschaft datiert vom 25. Juni 1858. In der Präambel ist zu lesen, daß die Bruderschaft gegründet worden ist, „um den ehrbaren Mitgliedern derselben ein jährlich stattfindendes christliches Volksfesten gewähren, und damit zugleich allen s. g. Winkelbällen und namentlich auch den Fastnachtstänzen vorzubeugen.
Unterzeichnet ist die Satzung vom Vorsteher J. Bunse und von A. Schulte. Johann Borghoff hat demnach im Sommer 1858 in der Bruderschaft keine maßgebliche Funktion mehr. Unter Nr. VI der Statuten werden nunmehr ausführliche Regelungen zur kirchlichen Ausgestaltung des Lebens in der Bruderschaft getroffen. Die Bruderschaft hat damit ihre noch heute vorhandene christliche Ausrichtung gefunden, denn nach § 2 der Satzung in der Fassung vom 19. Januar 1986 stellt die Bruderschaft ihr Handeln unter den Leitgedanken „Glaube, Sitte, Heimat“ und sieht ihre Aufgabe u.a. darin, dem überlieferten Glauben unserer Väter u.a. in der Pflege des religiösen Lebens treu zu dienen.
Auf die Gründung des Schützenvereins zu Niederalme im Jahr 1857 weist heute noch die untere Plakette der Königskette hin, auf der zu lesen ist: „Der Schützenverein in Niederalme 1857“.
Auf die in 1858 gegründete Schützenbruderschaft für die Pfarre Alme deutet die Umschrift auf der ältesten Fahne unserer Bruderschaft aus dem Jahre 1892 hin. „Sebastianus Schützen Verein -Alme – 1892 – gegründet 1858“.
Quellenverzeichnis:
- 1) Plett Walter VI Die Schützenvereme im Rheinland und in Westfalen 1789 – 1939 Köln 1995 S. 40
- 2) Archiv Graf von Bocholtz Asseburg, Hinnenburg, (alt) VIIa, Nr. 28 vgl, auch 350 Jahre Schützenleben in Alme – 125 Jahre St. Sebastian Schützenbruderschaft, Festschrift anläßlich des 125-jährigen Jubiläums der Schützenbruderschaft St. Sebastian Alme 1857 e.V., Alme 1982
- 3) für die Zitate, falls keine andere Angabe: Pfarrarchiv der katholischen Pfarrgemeinde St. Ludgerus Alme Band A 8
- 4) Bei den kursiv gedrucketen Zitaten wurde die damals gebräuchliche Schreibweise beibehalten.
- 5) Lahme, Elisabeth, Almer Feste und Feiern im Jahreskreis, Teil 1, Alme 1990
- 6) Zum Kirchspiel Alme gehören die drei damals selbständigen Gemeinden Oberalme, Niederalme und die sog Gutsgemeinde Alme
- 7) Bruns, Alfred, Amt Thülen, Geschichte und Überlieferung, Bnlon 1974, S. 186
- 8) Durch Bakterien verursachte Entzündung der Dickdarmschleimhaut, die meldepflichtig war und bei der Seuchengefahr bestand.
- 9) gemeint ist Pfarrer Kampschulte
- 10) Akte Amtsarchiv Thülen A 656